Im Fuechschen, Ratinger Strasse



Im Füchschen
Hier sitzt der Sarkast neben dem Philister, der unrasierte, übriggebliebene Nachtschwärmer neben dem bärtigen Musensohn der nahen Mutter Kunstakademie, der rheinische Börsenadel beim Schreibtisch-Leichtathleten, der Richter, wenn auch nicht neben, so doch nahe dem gerade Verurteilten, das Düssel-Original neben dem Touristen, der Professor bei der Duftig-Halbseidenden, allesamt bestes Kanonenfutter für einen Karikaturisten, wollte man nur das trennende der Typen sehen. Aber dieses Eisbein-Dorado hat seine eigene Demokratie, die Gleichberechtigung aller am Fleischtopf.
Wer unter dem Erker mit der Goldschrift Brauerei "Im Füchschen" durch die Pendeltür tritt, hat Diät-Vorsätze längst über Bord geworfen. Wen der Weg vorbei an der langen Speisenkarte vor dem Eingang nicht abgeschreckt hat, der weiß warum er weitergeht. Der Gast muß sich freimachen von dem spießerischen Gedanken, einen Tisch für sich zu haben, damit kein Fremder den Fettrand an seinem Mundwinkel sieht. Im "Füchschen" gibt es keine Steak-Romantik, keine Beaujolais-Höflichkeit. Wo ein Platz ist, läßt man sich fröhlich nieder.
Seit dem Jahr der bürgerlichen Revolution 1848 wird an der Ratinger Strasse das herbe, kernige, gute "Füchschen Alt" gebraut. Die Tische können nicht verbergen, das Generationen von Stammgästen auf sie die Ellbogen gestützt haben. Das Holzwerk trägt die anheimelnde Patina, die nur die ständige Beräucherung mit Tabakqualm zustandebringen kann. Frühmorgens haben die Tische im "Füchschen" Pause. Es ist Rentnerstunde. Aufgereiht wie Hühner entlang der Wand, brüten sie auf der Bank vorn in der Schwemme über ihre Ideen und, wenn es schlimm kommt, Ideologien. Das Alt ist immer dabei.